Institutionelle Risikokonstellationen sexueller Gewalt in familialisierten pädagogischen Kontexten
Kurzdarstellung des Forschungsprojekts
Nachdem im Frühjahr 2010 zahlreiche Vorfälle sexueller Gewalt in pädagogischen Einrichtungen öffentlich bekannt geworden sind, ist das Thema Gegenstand von politischen und pädagogischen Debatten. In diesem Zusammenhang wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung der Forschungsschwerpunkt »Sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten« etabliert. Das hier vorgestellte Projekt wird im Rahmen dieser Programmlinie gefördert.
Ziel des Projektes ist es, Vollzugsmuster und -logiken der Gestaltung von Beziehungen zwischen Pädagog_inn_en und Jugendlichen in verschiedenen pädagogischen Einrichtungen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, wie diese strukturell dazu beitragen, sexueller Gewalt vorzubeugen bzw. wie sie zu einem Risikofaktor werden können.
Im Projekt werden drei pädagogische Einrichtungen aus unterschiedlichen Bereichen untersucht. In allen drei Bereichen – Ganztagschulen, den Hilfen zur Erziehung und Internatsschulen - ist die Gestaltung einer familienähnlichen Atmosphäre in den letzten Jahren zunehmend wichtiger geworden. Sichtbar wird dies (1.) im Ausbau von Ganztagsschulen, in denen es darum geht, in Lerngruppen vertrauensvoll und im Austausch mit älteren und jüngeren Mitschülern Lehr- und Lernanforderungen über den gesamten Tag zu bewältigen, (2.) in der Neustrukturierung von stationären Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich darum bemühen den Kindern und Jugendlichen einAufwachsen in familienähnlichen Strukturen zu ermöglichen und (3.) in Internatsschulen, in denen Lernen und Aufwachsen auf besondere Weise verbunden sind.
Das Forschungsprojekt ist als ethnographische Feldstudie konzipiert, in der alltägliche Situationen erhoben und damit Kenntnisse über soziale Praktiken der beteiligten Akteure erworben werden. Methodisch werden hierzu teilnehmende Beobachtung, ethnographische Interviews, ExpertInneninterviews und Gruppendiskussionen genutzt. Von besonderem Forschungsinteresse sind (1.) Situationen, in denen sowohl emotionale als auch räumliche/körperliche Nähe entsteht, sowie (2.) Situationen, in denen Familienähnlichkeit inszeniert wird. Die Auswertungerfolgt aus einer qualitativ-rekonstruktiven Perspektive und dient der Beschreibung übergreifender Muster, Praktiken und Wissenshorizonte der Familialisierung und Intimisierung in pädagogischen Settings.
Forschungsbezogene Publikationen
Hartmann, Meike/Kessl, Fabian/Lütke-Harmann, Martina/Reh, Sabine (2012): Die inszenierte Familie: Familialisierung als Risikostruktur sexualisierter Gewalt. In: Andresen, Sabine/Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Zerstörerische Vorgänge. Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen. Weinheim/München, S. 164-177.
Fabian Kessl, Nicole Koch und Meike Wittfeld (2014): Familien als risikohafte Konstellationen: Zu den Grenzen und Bedingungen (nicht nur) professionell-pädagogischer Familialisierungstrategien. Erscheint in: Susanne Fegter, Catrin Heite, Johanna Mierendorff und Martina Richter (Hrsg.): Neue Aufmerksamkeit für Familie und Eltern (AT), Sonderheft der Neuen Praxis, Nr. 12
Kooperation
Förderung
Projektleitung
Prof. Dr. Fabian Kessl (Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik, Universität Duisburg-Essen)
Prof. Dr. Sabine Reh (Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF))
Projektmitarbeiter*innen
- Dipl. Päd. Martin Bittner
- Dipl. Päd. Nicole Koch
- Delia Kubiak B.A.
- Denise Löwe
- Katharina Steinbeck B.A.
- Meike Wittfeld M.A.